08.05.2020

(K)ein guter Tag für Deutschland?

Bundestag beschließt "Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen“

Eine Stellungnahme der Evangelischen Allianz

„Dieser Tag heute ist ein guter Tag“, kommentierte Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD) das Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen, das der Deutsche Bundestag am 7. Mai 2020 auf Initiative von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf den Weg gebracht hat. Deutschland ist damit nach Malta der zweite Europäische Staat, in dem solche Behandlungen an Minderjährigen unter Strafe gestellt werden. Ist es ein guter Tag?

Für Menschen, die es mit Dämonenaustreibungen, mit Globuli oder Elektroschocks zu tun bekommen, wie Kathrin Helling-Plahr (FDP) aufzählte, gewiss. Nur: Wen betrifft das tatsächlich? In den letzten 30 Jahren wurde in Deutschland niemand mit Elektroschocks therapiert. Auch nach dieser letzten Debatte* im Bundestag bleibt der Eindruck, dass es vor allem um Ideologie ging: In Debatten und in Anträgen der Grünen ist immer wieder von evangelikalen Anbietern schädlicher Therapien die Rede, doch bleiben diese Unterstellungen unbewiesen und daher vage. Dem Gesetzesentwurf spürt man durchaus das Bemühen um Klarheit ab, er bleibt aber letztlich nicht nur an dieser Stelle diffus. So besteht die Gefahr, dass die konkrete Anwendung und Auslegung des Gesetzes letztlich vor Gericht ausgefochten wird. Denn es geht um mehr, als die vermeintlichen Konversionsbehandlungen an sich, es geht um die Frage nach Grundrechten wie Elternrechte sowie Therapie- und Religionsfreiheit.

Im Anhörungsprozess versuchten verschiedene Lobbyisten den Begriff “Behandlungen“ durch „Maßnahmen“ zu ersetzen. Da Behandlung ein medizinischer Terminus ist, bleibt das Verbot auf Therapien beschränkt, während Maßnahmen die Verkündigung, die Seelsorge und den Bildungsbereich eingeschlossen hätten. Nun wurde der ursprüngliche Begriff im Gesetz verankert. Das ist eine gute Nachricht, weil damit die Religionsfreiheit gewahrt bleibt und Verkündigung und Seelsorge nicht unter das Verbot fallen, wie mehrere Experten ausgeführt haben. Dazu gehört auch die Freiheit, die Meinung zu vertreten, dass gelebte Homosexualität Sünde ist. Dennoch bleibt bei Beratern und Werken die Sorge, dass sie sich in Zukunft durch Denunziationen, unzulässige Konversionsbehandlungen angeboten oder für solche geworben zu haben, Anklagen und Gerichtsprozessen gegenübersehen können.

Deutlich wurde in allen Beiträgen: Homosexualität ist keine Krankheit, daher bedürfe es auch keiner Behandlung. Das kann tatsächlich für Betroffene eine Entlastung sein. Allerdings bedeutet es eine Verunsicherung für die Menschen, die ernstlich unter ihrer sexuellen Orientierung leiden. Für sie ist es ein schlechter Tag. Sie fragen sich: Dürfen uns künftig noch an einen Berater mit unsrem Anliegen wenden, ohne ihn oder uns selber in die Nähe der Straffälligkeit zu rücken? Oder dürfen solche, die eine Krise in ihrer sexuellen Orientierung bewältigt haben, davon noch öffentlich oder privat erzählen, ohne dass es als Werbung ausgelegt wird? Ein inzwischen vorliegendes strafrechtliches Gutachten stellt dies in Frage, was bedeuten würde, dass die freie Meinungsäußerung deutlich eingeschränkt wäre. Da das Gesetz zwischen den Betroffenengruppen nicht differenziert, entstehen neue Diskriminierungen.

Offen bleibt nach der abschließenden Debatte auch die Frage, warum das Gesetz auf transsexuelle Menschen erweitert wurde, die doch eine ganz andere, viel komplexere psychische Konstitution aufweisen. Auch für diese Jugendlichen ist es kein guter Tag.

Abgelehnt wurden die weitergehenden Vorschläge der Grünen, das Alter für Verbote auf 26 Jahre zu erhöhen sowie Ausnahmeregeln für Eltern und Erziehungsberechtigte zu streichen. Das ist eine gute Nachricht, weil es das Erziehungsrecht stärkt und mündige Erwachsenen weiterhin die Möglichkeit haben, Beratung in Fragen ihrer sexuellen Identität in Anspruch zu nehmen. Allerdings kündigten die Redner der Grünen, der Linken, der FDP und auch der SPD an, das Gesetz zukünftig weiter verschärfen zu wollen. Das politische Ringen in dieser Frage wird also weitergehen.

Die Evangelische Allianz in Deutschland ist ein Netzwerk verschiedener evangelisch gesinnter Organisationen und Gemeinden. Gegründet wurde sie 1846 in London als interkonfessionelle Einigungsbewegung. Die erste Bad Blankenburger Allianzkonferenz fand 1886 statt. In Deutschland gib es rund 1.000 örtliche Allianzen. Vorsitzender der EAD ist Pastor Ekkehart Vetter, der hauptamtlich Präses des freikirchlichen Mülheimer Verbandes ist. Als Generalsekretär amtiert Dr. Reinhardt Schink. Politischer Beauftragter am Sitz des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung ist Uwe Heimowksi.

*Link zur Debatte: hier